Space4 gestaltet Ausstellung im wiedereröffneten Museum Judengasse
Nach einem Umbau ist das Frankfurter Museum Judengasse im Frühjahr 2016 wiedereröffnet worden. Das seit 1992 bestehende Museum wurde bisher von vielen Besuchern als Provisorium wahrgenommen. Die Neugestaltung schafft, um es mit den Worten des Frankfurter Kulturdezernenten Felix Semmelroth zu sagen, „einen angemessenen und würdigen Rahmen für diesen für die Stadtgeschichte so wichtigen Ort.“ Die Ausstellung wurde von Space4 in Zusammenarbeit mit teamstratenwerth neu konzipiert und gestaltet.
Das Museum Judengasse ist in einem 1992 fertiggestellten Verwaltungsgebäude der Frankfurter Stadtwerke untergebracht. Dieser schwierige architektonische Kontext stellte eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung des Museums dar. Ziel der Ausstellungsgestaltung ist es, die Architektur auszublenden, ohne sie zu negieren. Im Mittelpunkt stehen die baulichen Reste der „Judengasse“, des ehemals größten jüdischen Ghettos Mitteleuropas. Die Wiederentdeckung der Grundmauern beim Bau des Verwaltungsgebäude waren der Anlass, am Fundort eine Dependance des Jüdischen Museums einzurichten.
Der Besucher wird zu Beginn mit der öffentlichen Auseinandersetzung konfrontiert, die Ende der 80er Jahre über den Umgang mit den baulichen Resten der Judengasse entbrannte und schlussendlich zur Einrichtung des Museum führte. Danach taucht er in das frühe 18.Jahrhundert ein, zur Zeit des höchst lebendigen jüdischen Ghettos. Die Ausstellung gliedert sich in fünf Bereiche: Einführung in die geschichtlichen Veränderungen des städtischen Ortes, die Geschichte der Judengasse als abgeschlossener Bezirk mit Zeithorizont von 1460 bis 1800, die Präsentation der Ausgrabung, das Leben der jüdischen Bevölkerung zur Zeit der Judengasse und abschließend die jüdische Literatur und Liedgut.
Zu Beginn wird an die sehr intensiv geführte Auseinandersetzung zwischen Politik und Bevölkerung um die Reste der Judengasse erinnert. Ein Stadtmodell zusammen mit historischen Fotos belegt die lebendige Geschichte des Ortes. Durch eine räumliche Engstelle betritt der Besucher dann den eigentlichen Kern des Museums. Eine mediale Inszenierung schafft einen ersten Überblick über die Geschichte und Bedeutung der Frankfurter Judengasse. Danach betritt der Besucher den Hauptraum mit der Ausgrabung.
Auf zwei sich gegenüberliegenden Galerieflächen werden verschiedene Themen zum Leben der jüdischen Bevölkerung vermittelt. Von der Galeriefläche gelangt man über eine Treppe direkt in die Ausgrabung und steht somit im Keller der alten Häuser. Das Leben der Bewohner ist hier dargestellt. Ein letzter Bereich schließt sich an, der jüdische Literatur und Liedgut beinhaltet.
Im räumlichen Zentrum und im Fokus der Aufmerksamkeit stehen die Reste der Kellermauern von insgesamt fünf Häusern der Judengasse. Diese erlebbar zu machen, war die wichtigste Aufgabe der Ausstellungsgestaltung. Der Besucher blickt von der Galerieebene im Erdgeschoss in die Ausgrabung hinunter, die in diesem Bereich in einen zweigeschossigen Bereich eingebettet ist. Eine Brücke führt über die Grundmauern hinweg zu einer zweiten Galerie.
Die Ausstellungsgestaltung schafft durch eine neue „Haut“ ein Futteral, das die Ausgrabung schützt und gleichzeitig visuell hebt. Eine schwarz spiegelnde abgehängte Decke beruhigt die Untersicht und trägt die warme Farbigkeit der alten Mauern in den Raum. Eine leichte Stoffwand blendet die dahinterliegenden Betonmauern aus. Durch übereinander geschichtete Stoffsegel ergibt sich eine lebendige aber nicht unruhige Atmosphäre.
Auf den Galerien sind Rundvitrinen verteilt, die vom Boden bis zur Decke reichen und so mit der Architektur verschmelzen. Ein aufwendiges Technikkonzept innerhalb der Vitrinen ermöglicht es, die ausgewählten Objekte als Einzelstücke zu beleuchten. Statt langer Texte werden Informationen über im Vitrinenboden eingelassene Monitore vermittelt, die den Exponaten genügend Raum lassen.
Auch im Bereich der Ausgrabung finden sich Vitrinen, welche im Gegensatz zu den Rundvitrinen auf den Galerien als leichte Möbel konstruiert sind. Verspiegelte Sockel lassen sie optisch schweben und mit der Umgebung verschmelzen.
Insgesamt wurde bei der Gestaltung besonderer Wert auf eine klare und nachvollziehbare Vermittlung gelegt, die zugleich unterschiedliche Interessen und Erfahrungen berücksichtigt. Ein wesentliches Element sind dabei architektonische Modelle. Sie zeigen die Judengasse in unterschiedlichem Kontext und Maßstab. Als Überlagerung mit der heutigen Bebauung, als Projektionsfläche für eine Medieninszenierung, als Verortung von Audio-Geschichten zu den einzelnen Häusern bis hin zur Rekonstruktion der Gebäude, deren Grundmauern im Museum erhalten sind.
Für junge Besucher wurde außerdem eine eigene Kinderspur entwickelt, die zusammen mit einem Kinderheft altersgerecht Aspekte aus dem Leben in der Judengasse aufzeigt.
Bereits 2013 war Space4 zusammen mit teamstratenwerth im Rahmen eines VOF-Verfahrens zum Wettbewerb für die Neugestaltung des Jüdischen Museums in Frankfurt eingeladen worden. Gegenstand des Wettbewerbes waren das Jüdische Museum im Rothschildpalais und das Museum Judengasse. Beide Museen sind fast zeitgleich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden und werden aktuell inhaltlich, baulich und gestalterisch neu konzipiert.
Info: www.space4.de
Space4 gestaltet Ausstellung im wiedereröffneten Museum Judengasse (Fotos: Norbert Miguletz/www.miguletz.de)