Wanderausstellung „Think Global, Build Social“
Die zeitgenössische Architektur befindet sich zunehmend in der Verantwortung, sozialgerecht zu bauen. Gedrängt durch einflussreiche Probleme, wie Ressourcenknappheit, den rasanten Wachstum an Menschen in den besonders armen Ländern dieser Welt und der dortigen Verstädterung, muss sie sich nun neuen beruflichen Anforderungen und einer neuen gesellschaftlichen Positionierung stellen. Denn im Gegensatz zu der tradierten Rolle des Architekten, eines Auftragnehmers oder Bauorganisators, der autonom agiert und dessen Aufgabenfeld klar gegliedert ist, ist im 21. Jahrhundert die Notwendigkeit eines Netzwerks von Interessensgenossen und die Eingliederung des Architekten in einen sozialen, wie globalen Gestaltungsprozess unabdingbar. Kurzum, wird es nunmehr an der Zeit für eine Verschränkung zwischen Planung und Realisation, Globalität und Lokalität, eine Architektur nicht für den Nutzer sondern mit den Nutzern.
Mit dieser inhaltlichen Motivation zeigte die Wanderausstellung „Think Global, Build Social“ im Deutschen Architekturmuseum (DAM) beispielhafte Arbeiten von Architekten, die sich weltweit um einen Dialog mit den Nutzern und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den lokalen Ressourcen, Materialien und Bauweisen bemühen. Die 22 Dokumentationen der realisierten Bauten sind nach ihrem Schwerpunkt, dennoch miteinander kompatibel, in fünf Kategorien unterteilt: Material, Wohnen, Partizipation, Kultur, Design-Build, Programme. Der richtungsweisende Untertitel der Ausstellung „Bauen für eine bessere Welt“ ist gewiss auch von dem hinterlassenen Spirit der Vorgängerausstellung „Small Scale, Big Change“, 2010 im New Yorker Museum of Modern Art beflügelt worden, die der neue Direktor des Architekturmuseums der TU München Andreas Lepik ebenfalls kuratierte. Dieses Mal entstand eine Ausstellung, die für das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main und das Architekturzentrum in Wien konzipiert wurde: das Format einer Wanderausstellung, das an beiden Standorten aufgebaut werden muss. Auch wegen dieser Ortswechselfiel die Wahl des Ausstellungssystems auf Paletten. „Ein Element, das man überall bekommt, vor Ort bestellbar und stapelbar ist“, so die Ausstellungsdesignerin Sanaz Hazegh-Nejad. Tatsächlich erfüllt dieses Objekt jede Funktion für die Präsentation der Exponate, die sich in Form von Plänen, großformatigen Fotos, Maßstabsmodellen und teilweise auch Filmmonitoren anbringen lassen. Die Paletten sind senkrecht zu einer Stellwand aufgebaut und mit horizontal und vertikal angebrachten Dachlatten miteinander verschraubt. Diese pragmatische Leichtbauweise gliedert den Raum entsprechend der thematischen Kategorien, bleibt aber unaufdringlich und konsequent neutral.
Peter Körner, koordinierender Kurator der Ausstellung, führt ergänzend dazu den ökologischen und ökonomischen Aspekt der Wiederverwertbarkeit und Nachhaltigkeit von Paletten auf. Schließlich wird der lokale Kontext auf der Suche nach dem richtigen Baumaterial auch in den gezeigten Projekten thematisiert, nämlich im Hinblick auf die einfache Verfügbarkeit und die Nutzung eines Naturbaustoffs. Die Schulbauten von Anna Heringer, oder Emilio Caravatti in Marokko, Bangladesch und Mali und weitere öffentliche Bauten von Francis Kéré in Burkina Faso veranschaulichen deutlich, welches konstruktive und gestalterische Potential hinter den – gerade in den Entwicklungsländern zugänglichen – organischen Materialien Lehm und Bambus stecken. Es liegt sehr nahe, dass sich die Ausstellung in erster Linie an die Baumeisterselbst richtet, an Architekten. Peter Körner sagt dazu, dass die Intention der Ausstellung darin liege, das Fachpublikum zum Nachdenken anzuregen und den Blick des Architekturdiskurses auf das soziale Engagement zu richten. Gleichzeitig solle durch die Anschaulichkeit konkreter Beispiele eine Aufwertung der lokal verfügbaren Materialien erzielt werden.
Dass mit dem wachsenden Bewusstsein für die Provenienz von Baumaterialien bestimmte Besucherkreise angesprochen werden, vorrangig Architekten, die sich bisher nur im Auftrag des Kapitals sahen, ist ein guter Anfang. Die Ausstellungsgrafik, wofür ebenfalls Sanaz Hazegh-Nejad verantwortlich ist, mit großen Bildern und „anders als sonst weniger zweidimensionale Konstruktionspläne und Grundrisse, stattdessen aber Abbildungen mit Menschen, sowie die Anschaulichkeit des Bauprozesses mittels kurzer Filme vereinfacht den Einstieg für den Laien“, so Körner.
Dennoch dient das Museum in erster Linie als Plattform, um vereinzelte Architekturpositionen zusammenzuführen und damit einen wirksamen geschlossenen Auftritt einzuleiten. Gerade als öffentlich zugängliche Institution könnte es jedoch speziell in diesem Kontext dafür genutzt werden, bereits im Dialog unterschiedliche Gesellschaftsschichten mit unterschiedlichem Bildungshintergrund zu erreichen und daran teilhaben zu lassen. Erst dann wird Architektur nicht mehr als elitäre Disziplin gesehen, fernab der Nutzenden und ökonomisch Schwächeren.
Info: www.dam-online.de
„Think Global, Build Social“ im Deutschen Architekturmuseum (Foto: DAM)