Space4 kreiert Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung“ für den Landkreis Mühldorf

Das Kreismuseum Mühldorf a. Inn hat am 21. November die Dauerausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung – Der Landkreis Mühldorf im Nationalsozialismus“ eröffnet. Auf 300 Quadratmetern Fläche haben die Stuttgarter Ausstellungsmacher von Space4 im 2. Obergeschoss des Haberkastens, einem mittelalterlichen Gebäude im Zentrum Mühldorfs, diesen Teil deutscher Geschichte präsentiert.

Space4 kreiert Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung“ für den Landkreis Mühldorf

Anlass für die Ausstellung ist die ehemalige Existenz eines der größten Außenlager des KZ Dachau im Landkreis Mühldorf. Der KZ-Außenlagerkomplex Mühldorf wurde 1944 errichtet, um das im Mühldorfer Hart gelegene Rüstungsprojekt „Weingut I“ mit Arbeitskräften zu versorgen. Hier sollte eine gigantische, halbunterirdische Bunkeranlage zur Produktion von Flugzeugteilen entstehen.

Die Ausstellung gliedert sich in die vier übergeordnete Bereiche „Alltag im Nationalsozialismus“, „Rüstungsprojekt und KZ-Außenlagerkomplex“, „Kriegsende“ und „Aufarbeitung“. Den dramaturgischen Höhepunkt bildet der Bereich 2, in dem es um das Waldlager und die Bunkerbaustelle geht. Dieses Kapitel weist im Vergleich zu den anderen einen höheren Detaillierungsgrad auf und nimmt eine besondere Stellung in der Ausstellung ein.

Space4 kreiert Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung“ für den Landkreis Mühldorf

Die klare räumliche Anordnung der verschiedenen Ausstellungselemente macht eine Hierarchie ablesbar. Der Inhalt wird auf zwei sichtbaren Ebenen vermittelt – vertikal und horizontal. Diese systematische Aufteilung im Zusammenspiel mit elektronischen Medien und ordnenden Gestaltungsmerkmalen soll so eine intuitive Orientierung innerhalb der Ausstellung ermöglichen.

Beim Betreten des Ausstellungsraums präsentiert sich dem Besucher die zugrundeliegende Struktur der Ausstellung auf vertikaler Ebene: Als Einführung in die vier Bereiche dient je ein hochformatiges Bereichsbanner sowie ein großformatiges Leitfoto. Kapitelstelen aus transluzentem Acrylglas präsentieren ausgewählte Leitexponate, die den Besucher in einem freien Parcours durch die Ausstellung führen.

Space4 kreiert Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung“ für den Landkreis Mühldorf

Vertiefende Inhalte werden auf vertikaler Ebene an Thementischen präsentiert. Anhand von ausgewählten Objekten, Dokumenten, Fotografien und Informationsgrafiken taucht der Besucher in die Ausstellungsthemen ein. Medienstationen mit Zeitzeugen-Interviews schaffen zudem einen biografischen Zugang.

Der offene Ausstellungsraum wird über einen Raumteiler in einen Foyerbereich und einen chronologischen Rundgang aufgeteilt. Die zwischen Decke und Boden verspannten, groben Kanthölzer erweisen sich hier als flexibles System, das sich durch seine Materialität von der historischen Bausubstanz absetzt und doch auch mit ihr harmoniert. Auf seinem Weg durch die Ausstellung begegnet der Besucher verschiedenen Protagonisten der Geschichte. Ausgewählte Biografien werden durch Stelen aus grobem Filz im Raum präsentiert. Jede Person wird mit einem kurzen Steckbrief und Portrait vorgestellt.

An den Thementischen kommen Zeitzeugen persönlich zu Wort – in Form von Audio- und Videostationen mit Handhörern. In Interviews und vertonten Dokumenten berichten sie von ihren Erfahrungen und kommentieren das Geschehen. Diese bildhafte, persönliche und emotionale Perspektive der biografischen Ich-Erzähler ergänzt die Sachebene der Vermittlung.

Eine besondere Bedeutung kommt den Leitexponaten der Kapitel zu, die als leuchtende Orientierungspunkte den Auftakt für den jeweils folgenden Themenbereich bilden. Der Kapiteltext führt den Besucher, ausgehend von der Geschichte des präsentierten Objekts, in die jeweilige Thematik ein.

Thementische ermöglichen dem interessierten Besucher eine vertiefende Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten eines Kapitels. Dünne Platten aus Faserzement auf einem schlichten Stahlgestell stellen jeweils eine Themeneinheit dar. Thementext, Objektbeschriftung und ergänzende Informationsgrafiken sind direkt auf die Tischplatte gedruckt. Eingelassene Tischvitrinen mit integrierter Beleuchtung und einzelne aufgesetzte Glashauben beherbergen die Exponate. Ergänzt wird die Präsentation durch AV-Medienstationen und ausgelegte Klemmbretter mit ergänzenden Informationen.

Space4 kreiert Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung“ für den Landkreis Mühldorf

Der Ausstellung liegt ein klares Materialkonzept zugrunde. Es kommen vorwiegend natürliche und einfache Materialien wie Filz, grobes Leinen, Holz, Faserzement und unbehandelter Stahl zum Einsatz. Sie bringen eine natürliche Farbigkeit und Haptik mit, die auf grafischer Ebene eine Reduktion auf nur zwei Druckfarben (schwarz und weiß) erlaubt.

Audiovisuelle Medien stellen einen zentralen Bestandteil der Ausstellung dar: Mit Hilfe von Audio- und Videostationen werden da Menschen zum Sprechen gebracht. Zu Beginn des Bereichs 2 („Rüstungsprojekt und KZ-Außenlagerkomplex“) gelangt der Besucher darüber hinaus an einen großformatigen medialen „Kartentisch“. Eine szenische Filmsequenz gibt einen ersten Überblick über das Rüstungsprojekt und den KZ-Außenlagerkomplex. Drei interaktive Medienstationen und ein maßstabsgetreues Bunkermodell bieten vertiefende Informationen zu Bauweise, Lagerkomplex und Häftlingswegen.

Das Team von Space4 war bei dem Projekt vom Januar bis zur Eröffnung im November 2015 für den Landkreis Mühldorf im Einsatz. Bereits seit 15 Jahren entwickelt Space4 Konzepte für Ausstellungen und Museen. Die leitenden Architekten Alexander Minx, Oliver Mack, Henning Meyer und Jürgen Hess schauen seit Bürogründung auf mehr als 120 erfolgreich realisierte Projekte für öffentliche und private Auftraggeber zurück.

 

Info: www.space4.de , www.kreismuseum-muehldorf.de

 

Impressionen der Ausstellung „Alltag, Rüstung, Vernichtung – Der Landkreis Mühldorf im Nationalsozialismus“ (Fotos: Anja Köhler/Space4)